Hallo zusammen!
Leider kann ich (derzeit) keinen T4 mein Eigen nennen. Nach zwei gestohlenen Fahrzeugen ist mir die Nummer zu heiß und meiner Versicherung zu teuer geworden. Doch ohne Bus ist das alles auch nix.
Die Alternative kam im Juni in Form eines verranzten Vito Mixto 115 CDI Automatik von 2006 zu mir. Mit dem bin ich mittlerweile fast 8000km herumgeritten.
Der erste Kontakt:
"Boah nee. Ist der hässlich! So eine widerliche Rinde fahre ich nicht!" (So oder ähnlich war meine erste Reaktion, verbunden mit einer Kehrtwende vom Händlerhof.)
Der zweite Kontakt:
"Hier, nimm die 2,7K Schleifen. Ein Kumpel holt den Dreckshaufen dann ab."
Hier muss fairerweise erwähnt werden, dass der Vito in einem ihm nicht anzulastenden, desaströsen Zustand war. Motorschaden (beide Nockenwellen gebrochen und sämtliche Innereien hinüber), innen extremst verdreckt. Kaufgrund war, dass ich mir aus England günstig einen Motor besorgen konnte, einen Bus brauchte und der Vito für einen 2006er erstaunlich wenig Rost hatte. Die Ausstattung war auch vollkommen prima.
Ein paar Daten:
- 150PS Commonrail Diesel, 330NM maximales Drehmoment
- 5-Gang Automatik
- längste Hinterachsübersetzung (1:3,27) für einen Vierzylinderdiesel (die V6 CDI haben 1:2,93)
- hintere Seitenscheiben verblecht, fünf Sitzplätze (ein Merkmal des Mixto, der eine Mischung aus Transporter und PKW darstellt, die PKW Variante heißt Viano und ist innen höherwertiger ausgestattet)
Was nervt, was gefällt gegenüber dem T4 2.5 TDI 111kW, bzw. generell:
positiv:- Verfügbarkeit einer Automatik in der Leistungsklasse (gerade im Anhängerbetrieb) ist nett
- Ergonomie und Sitzposition, insbesondere die verstellbare Lenksäule (wobei ich persönlich mich im T4 auch immer pudelwohl gefühlt habe, da hat alles gepasst. Aber es gibt kleinere und größere Leute...)
- Windgeräusche, die sind deutlich leiser als bei meinen beiden T4, auch wenn die beiden Fahrzeuge schon deutlich unterschiedlich waren
- Wird nicht geklaut! -Will aber auch kein Mensch haben, so ein hässliches Auto (zumindest vor der MOPF, was bei Daimler dem Facelift entspricht)
- mögliche Ausstattung und Serienausstattung, teilweise modelljahrabhängig und hier muss man fairerweise auch sagen, dass der W639 auf den Markt kam, als der T4 (leider) gerade auslief (ESP, Bremsassistent, Traktionskontrolle,
Parkpiepser vorne und hinten, etc.)
- robuster Motor mit Duplexkette (nur BIS Mopf als OM 646, danach OM651 mit kurzer Simplexkette auf der RÜCKSEITE des längs eingebauten Motors, trifft auf Vierzylinder zu)
- extrem geringer Wendekreis
- keine Antriebseinflüsse dank Heckantrieb
- geringere Außenhöhe (vorteilig im Parkhaus)
- Ersatzteilpreise beim Freundlichen, oft erstaunlich günstig
- Fahrzeugpreis (meiner hat komplett mit Instandsetzung und Teilen etwas über 6000€ gekostet, was ungefähr der Hälfte meines langen T4 entsprach, hier aber nicht repräsentativ ist, da es doch eine sehr individuelle Lösung darstellt)
- Abrollkomfort, hier kann die drehstabgefederte Vorderachse des T4 einfach konzeptbedingt nicht mithalten.
- Schaltkomfort der Automatik
negativ:
- kürzere Gesamtübersetzung der Automatik im höchsten Gang gegenüber dem 6-Gang Schalter
- sehr brummiger Motor, der prasselig und dröhnig unter Last klingt (der Fünfzylinder TDI war da deutlich angenehmer, wenn auch kerniger)
- mit Automatik im mittleren Drehzahlbereich etwas müde im Ansprechen, gerade im Anhängerbetrieb fehlt da einfach etwas Drehmoment, bzw. verschwindet zuviel davon im Wandler
- dank längs eingebautem Motor deutlich mehr nicht-nutzbare Gesamtfahrzeuglänge, in der Langversion im Laderaum nur wenig länger als ein kurzer T4
- geringere Außenhöhe (nachteilig als Camper)
- zwar stark schwankend, aber viele Fahrzeuge haben arge Rostprobleme
- Qualität der "Verzinkung" generell. -Reden wir nicht darüber...
- Oberflächen, generell sehr kratzempfindlich
- Elektrik: Dank CAN Bus Vernetzung alles und jedes Teil mittels Steuergeräten angesteuert. Bei Fehlersuche seeeeehhhhr interessant, aber nicht im Sinne von erfreulich
- aktiver DPF, der sich regeneriert und dabei offensichtlich größere Mengen Kraftstoff verheizt, ich sehe es immer an der auch nach längeren, konstanten Fahrten deutlich ansteigenden Durchschnittsverbrauchsanzeige, das Ding nervt
einfach nur und trägt zum Umweltschutz durch seinen Mehrverbrauch unter diesem Gesichtspunkt vernachlässigbar wenig bei
- wenig fahrzeugspezifisches Camperzubehör, im Vergleich zum T4
- irgendwas klappert und scheppert immer im Innenraum
- konzeptionell teilweise eigenartige Lösungen (hintere Radläufe mit Radhäusern verklebt, allerdings nicht durchgehend, so dass auf beiden Seiten Dreck in den Innenraum gewirbelt wird)
Fazit:
Ich würde mir sofort wieder einen langen T4 Caravelle mit 111kW kaufen, das extra dafür angeschaffte Getriebe auf 6-Gang umbauen lassen und ein Hubdach nachrüsten, sowie die bereitstehende Campinginnenausstattung einbauen. Dafür mag ich den T4 einfach zu sehr und es ist irgendwie wie "nach Hause kommen".
Den Vito betrachte ich eher rational. Er tut seinen Dienst, das auch trotz mittlerweile 260tkm sehr zuverlässig (auseinandergefallener Anlasser und quietschende Kardanwellenlager zähle ich hier zu normalem Verschleiß). Der Verbrauch geht in Ordnung, es gibt viele Dinge, die ich nicht so schön finde und die mich davon abhalten ihn wirklich zu mögen. Unter den gegebenen Umständen ist er aber ein guter Kompromiss und ich habe wieder einen Bus. Daher ist dieses Fazit streng subjektiv und NICHT repräsentativ.
Nun die Gretchenfrage: Kann der Vito/Viano eine Alternative zum T4 sein? Diese Frage muss mit einem ganz klaren "Ja" beantwortet werden, setzt man die Fanbrille ab. Allerdings ist die Einschränkung ja auch die, dass wer heute einen T4 fährt, dies in aller Regel nicht aus der schieren Notwendigkeit heraus, sondern oft aus Überzeugung tut.
Wer sich jedoch mehr Laufkultur oder Leistung oder eine Automatik wünscht, die hält was sie versüricht und das auch über viele, viele Kilometer, der ist zum Beispiel mit einem V6 CDI (204/224PS => Vor-/NachMOPF) durchaus in die Lage versetzt glücklich zu werden. Da kann derzeit kein Bus von VW ab Band mithalten. Zumal beim W639 die Varianten Kompakt/Lang/Extralang zur Verfügung stehen. Die ersten beiden mit identischem Radstand, aber unterschiedlichem Hecküberhang, die letztgenannte Variante auch mit 23 cm (?) mehr Radstand und ca. 11cm mehr Laderaumlänge als ein T4 lang.
Viele Grüße,
Thomas