2-ter Technischer Reisebericht T4 California AAB, Bj. 1992
Moin && viel Spaß bei der Lektüre - leider etwas verspätet, sorry dafür.
Ziel des Sommerurlaubes soll mal wieder der lauschige Camping-Bauernhof in Lit-et-Mixe werden. Das Dörfchen liegt an der franz. Atlantik-Küste, fast genau zwischen der Düne von Arcachon und Biarritz. Die Entfernung ist mit 3500 km (Hin- und Rückfahrt) wie immer eine Herausforderung für unseren Bus - nun ja, der ist halt kreativ. Stellplatz auf dem Camping wurde schon im Frühjahr für den Zeitraum 01.08 bis 22.08 reserviert.
An einem Wochenende, Mitte Juni 2021
Meine Holde: „Auf dem Parkplatz bei der Arbeit – da war heute ein großer Fleck. Irgendwas verliert der Bus.“
Also Abends Pappe unter den Bus gelegt und am nächsten Tag nachgeschaut. Yep, man sieht etwas...dann den Bus angemacht und ein paar Minuten laufen lassen – Unterfahrschutz demontiert, oha, Diesel tropft aus der Einspritzpumpe (ESP). Die ESP wurde dann von unserer Werkstatt ausgebaut, von Bosch revidiert und wieder eingebaut. Wir freuen uns, dass wir dieses Malheur vor dem Urlaub erkannt haben - think positive.
Sonntag, Anfang Juli
Wir befinden uns noch vor der Abreise, es ist Anfang Juli. Konkret, es ist Sonntag Abend, Tatort-Zeit und ich lümmel alleine auf dem Sofa – auch mal schön. Kurz vor Ende geht die Haustür auf und herein kommen zwei schnatternde Frauen. Meine Holde und ihre beste Freundin sitzen jetzt auf dem Sofa und berichten von ihrem MTB Abenteuer im Harz. Die beiden waren auf ein verlängertes Wochenende mit dem Bus unterwegs.
Meine Holde: „Du Schatz, was ja blöde ist...die Tankanzeige zeigt manchmal nix an...da weiß man ja gar nicht, wann man tanken muss“
Die Freundin: „Die Probleme hatte unser alter Golf auch.“
Nun gut, ich mach mir noch ein Bier auf und google im T4-Wiki, während die Mädels weiter schnattern. KI ausbauen sollte nun mal wirklich kein Problem sein. Nach-Löten der vielleicht gebrochenen Lötstellen und vielleicht den Festspannungsregler ersetzen – Peanuts – das macht mein Lieblings-Kollege in der Pause. Obwohl...wann hat Oliver noch mal Urlaub??? Mit einer kaputten Tankanzeige kann ich leben, die Temperaturanzeige sollte funktionieren. Plan, morgen Abend wird das KI ausgebaut.
Nun kommt die Freundin meiner Holden so richtig in Fahrt.
Freundin: „Außerdem bläut Euer Bus richtig heftig und dann ist da noch dieses komische Klackern, kommt wohl vom Motor“
Ich: „Klackern? Bläuen?“
Also raus zum Bus (die MTB‘s mussten eh noch vom Heckträger runter) und den Motor gestartet...klack, klack, klack...wegen der Dunkelheit sehe ich nix Blaues, aber diesen alten Schiffsdiesel darf man ruhig riechen – scheint okay zu sein, bis auf das besagtes Klackern.
Plan-Änderung für morgen früh, denn jetzt packe ich mein eigens Rad auf den Träger. Also morgen den Bus bei den KFZtis abgeben. Kann dann gleich auch den bestellten Türkontaktgeber für den Audi TT abholen., dann weiter mit dem Rad zur Arbeit.
Ok...Wein auf Bier, das rat ich Dir - die Mädels schnattern und alles ist gut!
Montag, Anfang Juli
Mit einem leichten Ziehen im Hinterkopf nehme ich früh morgens den Weg zur Werkstatt auf. Etwas Berufsverkehr, nicht viel los auf den Straßen Hildesheims – zur Werkstatt beträgt die Entfernung so gefühlte 10 km.
Das Klackern irritiert mich jetzt wirklich, aber ich bleibe gelassen – denn ich fahre ja zur Werkstatt, so etwas wird nicht ignoriert, nein. Wenn man so ein Klackern nicht ernst nimmt, dann kann das böse Folgen haben – aber das mache ich ja nicht, bin ja nicht blöd.
Bislang ging es die ganze Zeit auch fast immer nur bergab, nicht steil, aber dafür konstant mit leichtem Gefälle, aber viele rote Ampeln zwingen immer wieder zum Halt.
Und dann rieche ich es, und ich sehe es. Ich sehe es leicht bläulich im Rückspiegel, und dann wird es von zart-blau zu blau, dann zu dunkelblau. Och nee...Montage sind eh nicht so mein Ding – das Klackern dominiert jetzt auch akustisch alles – ich verkneife mir ab jetzt den Blick in den Rückspiegel – Greta kommt mir in den Sinn.
Jetzt warte ich an der roten Ampel zur B6 am Klinikum, der von mir gefürchtete zweispurige Berliner-Kreisel ist noch einen gefühlten Kilometer entfernt. Fenster ist unten, um das Klackern besser kennenzulernen - um es den KFZtis genau beschreiben zu können (was für eine blöde Idee), mir tränen die Augen vom Rauch.
Ich bin jetzt ein Bengalo auf vier Rädern. Die Straße ist zweispurig, der neben mir stehende Kollege winkt hektisch, die Kollegen im Gegenverkehr benutzen die Lichthupe. Ja was denn?! Sorry Greta, ich weiß ja, von wegen Klima - bin gerade echt überfordert.
„Gelassen bleiben“ denk ich mir, bin es aber nicht...daher mein Notfall-Plan an dieser roten Ampel: nächste Seitenstraße raus, spätestens bei der Waschanlage runter – bloß nicht in den Kreisel rein, bloß nicht!
Ampel wird grün, der Verkehr nimmt die Fahrt auf, erster Gang rein und Gas...es macht nur „Kalong“, dann Stille, der Motor ist ausgegangen.
Ich starte den Motor neu...ein schwer beschreibbares Geräusch...als würde ein Mixer in einem Blecheimer mit Schrauben laufen – auf einen zweiten Versuch verzichte ich.
Stattdessen steige ich aus, ziehe resigniert aber dafür routiniert die Warnweste über und nette Menschen mit Masken helfen schnell, den Bus von der Kreuzung zu schieben – ADAC kontaktiert, und der T4 wird nach nur 30 Minuten zur Werkstatt geschleppt, ein neuer Rekord!
Ich zum ADAC-Abschlepper: „Wow, das ging jetzt aber fix“
ADAC-Abschlepper: „Sie kommen mir bekannt vor. Egal, wenig los, immer noch Corona…“
Auf dem Parkplatz der Werkstatt mache ich noch ein letztes Mal die Zündung an, der Kilometer-Zähler zeigt 266 TKM an. Das KI sagt, der Tank sei fast voll und die Wasser-Temperatur ist im untersten Bereich (ätsch @Freundin von meiner Holden). Die Versorger-Batterien melden 11,1 Volt (nicht gut, weil sollten voll geladen sein, 13 Volt). Ich begutachte den leichten Rost am Scheiben-Rahmen. Frage mich selbst, wann ich letztes Mal die Diesel-Standheizung in Betrieb hatte (vor Jahren…). Sehe die gebrochene Verkleidung der A-Säule rechts, ein klebriges Ding, deren Weichmacher das Zeitliche gesegnet haben. Das tanzende Hawaii-Girl auf dem Dashboard verliert ihren Rock – überall sind ihre blöden feinen Fäden – hat aber zum Glück einen Schlüpfer drunter an.
Das Rad vom Träger geholt und zur Arbeit gefahren.
Am besagten Montag-Vormittag kam ich dann in meinem Büro so langsam runter. Ich bin ja nicht nah am Wasser gebaut, aber irgendwann konnte ich ein paar Tränen nicht zurückhalten und habe mich daher hinter den Monitoren sehr klein gemacht (völlig unnötig, weil viele Kollegen noch im Homeoffice arbeiten). Zwei Minuten später dann tief Luft geholt...woohsa.
Episch im Nachhinein: einen kapitalen Motorschaden live erlebt – muss man aber nicht unbedingt haben.
Meine Holde am Abend: „Ach, das kriegen die Jungs schon hin.“
Ich: „Ja klar, aber...vielleicht brauchen wir einen neuen Motor“
Holde: „Wo liegt das Problem?“
Ich: „In der Zeit? In den Kosten? Nach Frankreich mit einem Motor, den die Jungs gerade eingebaut haben? Damit über die Kasseler-Berge, die Hügel in der Auvergne...das Flanschdings, das fast verlorene Vorderrad...Hallo, erinner dich doch mal!“
Holde: „hm“
Ich: „hm“
Hier lesen....
Pause…wir sitzen jetzt an den Rechnern
Ich: „Überholter Austauschmotor ~2500 €. Da der Motor eh raus muss, könnten wir noch das Getriebe revidieren lassen, Kupplung dann auch neu. Zudem, TÜV ist auch noch fällig diesen Monat – wer weiß, was da noch kommt. Aber besser, die finden was. Allemal, die Lohnkosten...zwei neue Gel-Batterien wären auch sinnvoll, aber die kann ich einbauen“
Meine Holde: „Kombi-Instrument nicht vergessen!“
Ich: „Preis also...vergleichbar mit Hurtigrouten in die Arktis“
Holde: „Mit Außenkabine, allen Ausflügen und Rotwein-Flatrate?“
Ich: „Nein – Grundpreis Innenkabine und ab und zu mal ein Glas beim Essen, so Pi x Daumen“
Pause…Pause...
Meine Holde: „wie süß, schau mal hier, ein Eriba Puck für 7500 €“
Ich: „Ein Wohnwagen? Aber womit ziehen wir den? Dann brauchen wir auch noch ein zusätzliches Auto“
Holde: „Wieso? AHK am TT nachrüsten“
Ich: „Nein, nicht erlaubt bei unserem TT“
Pause…Pause...Pause…Plop, Holde hat einen Rose entkorkt (trocken und gut gekühlt).
Sie: „Erstens will ich an unseren Strand, zweitens liebe ich unseren alten Bus, drittens bekommt er im nächsten Frühjahr hoffentlich die H-Zulassung, viertens habe wir schon soviel repariert, fünftens ist der Markt völlig überteuert...Null-Zins und Camping-Wahn“
Ich: „Die H-Zulassung wird kein Problem wegen Austauschmotor“
Meine Holde: „Dann auf, Süßer!“
nun eine sehr kurze Pause…
Ich: „bin fast pleite...unser rotes Auto“
Holde: „also verkaufen“
Ich: „den Bus?“
Holde: „den Elfer!“
das-rote-ding.jpg
Sie sagt es, einfach so, nimmt keine Rücksicht auf Verluste. Mit dem Messer in der Brust kann ich nur noch röcheln: „egal, passt schon“...die Story geht weiter!